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Gehen wir zurück in das Jahr 1868. Wir befinden uns in London, dem Zentrum des größten und bedeutendsten Weltreichs seiner Zeit, dem Viktorianischen England.
Der Liberale William Gladstone und der Konservative Benjamin Disraeli waren erbitterte politische Konkurrenten und strebten beide das Amt des Premierministers an, und das bedeutete gleichsam, Herrscher über die halbe Welt zu werden. Eine Anekdote erzählt, dass eine junge Dame bei einer Veranstaltung jeweils neben Gladstone und Disraeli saß. Die Presse wollte natürlich im Anschluss von der jungen Dame wissen, wie das Dinner neben den politischen Mitbewerbern gewesen wäre. Sie antwortete: „Nachdem ich neben Mr. Gladstone gesessen bin, hatte ich den Eindruck, er sei der klügste Mensch in ganz England. Nachdem ich dann aber neben Mr. Disraeli gesessen bin, hatte ich das Gefühl, ich selbst sei der klügste Mensch in ganz England.“
Gute Zuhörer geben anderen das Gefühl, bedeutsam zu sein. Dabei war Disraeli alles andere als ein warmherziger und gütiger Mann. Er galt als sehr arrogant und musste lange um seine Reputation und Anerkennung kämpfen. Doch neben seinem Machtstreben und seiner Überheblichkeit handelte es sich bei Disraeli offensichtlich um einen großartigen Zuhörer, der über großes Charisma verfügte.
Die Wechselwirkung zwischen Charisma und richtigem bzw. gutem Zuhören ist sehr stark, wobei gute ZuhörerInnen nicht zwingend charismatisch sein müssen, vice versa charismatische Menschen nicht unbedingt als gute ZuhörerInnen gelten.
Charisma ist schwer fassbar und kaum greifbar, es gibt keinen Charisma-Knopf, den es einfach nur zu drücken gilt und plötzlich strahlen wir eine größere Wirkung aus. Allerdings kann man sich eine gewinnende Ausstrahlung auf jeden Fall aneignen und sich auch darauf „programmieren”. Am ehesten gelingt das, wenn man charismatische Menschen benennt und deren Verhaltensweisen bestmöglich kopiert.
Denkt man an sehr charismatische Menschen, tauchen unter vielen anderen garantiert der Dalai Lama, Bill Clinton, Barack Obama oder Steve Jobs vor dem inneren Auge auf. Diese Größen schaffen es, durch ihre Redekunst Menschen in ihren Bann zu ziehen. Doch es ist wenig bekannt, dass all diese genannten Personen auch großartige Zuhörer waren.
Ein wesentlicher Anteil an dem großen Charisma von dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton war durch seine Fähigkeit, empathisch zuzuhören, bedingt. Er kann sein Umfeld durch sein warmherziges Wesen sofort für sich gewinnen. Es wird berichtet, dass er sich vollständig auf seinen Gesprächspartner konzentriert und dabei dessen Emotionen und Stimmungen aufzunehmen und zu verstehen imstande ist. Sein berühmter Satz „I feel your pain” war die Antwort an den AIDS-Aktivisten Bob Rafsky während einer Veranstaltung in New York im Rahmen seines Wahlkampfes. Er hat dem Mann aufmerksam und vor allem mit dem Herzen zugehört, als dieser Clinton vorwarf, dass in den letzten Jahren unzählige Menschen an Aids gestorben sind und die Regierung nur passiv zugesehen hat. Clinton hörte zu und seine Antwort war gespickt mit emotionalen Botschaften und ernst gemeinten Versprechungen. Clintons Charisma ist damit begründet, vollständig im Hier und Jetzt zu sein. Er lenkt seinen Fokus auf die emotionale Botschaft der GesprächspartnerInnen und schafft es, diese zu verbalisieren. Damit trifft er den Kern der Inhalte und das Gefühl hinter der Botschaft.
Die ILA (International Listening Association) hat Clinton 1993 zum Zuhörer des Jahres ernannt. Diese Ehrung teilt er mit Oprah Winfrey (2006), Marshall Rosenberg (2000), Michelle Obama (2012) und Barack Obama (2010).
Der ehemalige US-Präsident Barack Obama gilt auch als aufmerksamer und vor allem fokussierter Zuhörer. Sein Intellekt soll regelrecht greifbar sein, und er widmet sich mit seiner gesamten Präsenz seinen Gesprächspartnern. Zwar weniger warmherzig als Clinton, dafür fokussierter und präsenter, ist die Zuhörhaltung von Obama. Er schaffte es, regelrecht in den Ausführungen seiner GesprächspartnerInnen einzutauchen.
Steve Jobs war ein Visionär und großartiger Unternehmer, doch als Zeitgenosse schwierig, und seine MitarbeiterInnen hatten es wahrlich nicht leicht, mit dem Genie Jobs zu arbeiten. Seine cholerischen Anteile hinderten ihn aber in keiner Weise, seinen GesprächspartnerInnen ein überaus fokussierter Zuhörer zu sein und die Worte der ErzählerInnen in sich aufzusaugen.
Auch der US-amerikanische Unternehmer Elon Musk, ebenso genial wie schwierig im Umgang, ist ein fantastischer Zuhörer. Er hat die Gabe, absolut konzentriert zu sein und die relevanten Fakten herauszuhören.
Diesen Charismatikern ist also die Fertigkeit guten und richtigen Zuhörens mehr als geläufig, sie gelten gar als Meister ihres Fachs.
Führungskräfte und Vetriebsprofis dürfen sich gerne an den genannten leuchtenden Beispielen orientieren. Der Erfolg von Clinton, Obama, Jobs und Musk ist auch durch ihre Fähigkeit, fokussiert und emotional zuzuhören, bedingt. Dies hat ihr bestehendes Charisma weiter verstärkt oder gar erst bedingt.
Welche Techniken können Sie nun anwenden, um Ihr Charisma durch reines Zuhören zu steigern? Wenn wir das Ha-Te-Co Modell auf die bisherigen Erkenntnisse in Bezug auf die gewinnende Ausstrahlung anwenden, dann ist es eine ausgewogene Mischung aus Haltung und Technik, die zu mehr Charisma führen.
Vier Impulse für mehr Charisma beim Zuhören durch Anwendung von Ha-Te-Co
Impuls 1: Versetzen Sie sich an die Stelle einer charismatischen Person
Charismatische Menschen ruhen vor allem in sich und strahlen durch ihre Körpersprache Gelassenheit und starke Präsenz aus. Um diese Körpersprache besser in den Griff zu bekommen, hilft Ihnen eine simple Visualisierung.
Stellen Sie sich einfach vor, dass Sie in einem Dialog mit einem Menschen sind, der sich durch äußere Einflüsse kaum ablenken lässt, mit Ihnen ständig Blickkontakt hält, Ihren Ausführungen durch seine Mimik inhaltlich und emotional folgt. Stellen Sie sich vor, dass diese Person ein einzigartig guter Zuhörer ist, so wie Sie sich immer eine(n) ZuhörerIn gewünscht haben.
Wie wirkt diese Person auf Sie? Wie fühlen Sie sich beim Gespräch mit ihr?
Sie werden sich in Gegenwart des betreffenden Menschen sehr wohl fühlen, großes Vertrauen entgegenbringen und sich öffnen.
Versetzen Sie sich nun in genau diese Person und tauchen Sie regelrecht in die Haltung ein. Sehen Sie sich in genau dieser ruhigen und entspannten Haltung, stellen Sie sich vor, dass Sie komplett fokussiert auf Ihr Gegenüber sind und es keine Einflüsse gibt, die Sie ablenken.
Üben Sie diese Visualisierung jeden Tag ein paar Mal für ein paar Minuten und Sie werden merken, dass Sie immer mehr die Haltung und Ruhe einnehmen, die Sie sich selbst wünschen.
Impuls 2: Befreien Sie sich bestmöglich von Wertungen
Zuhören erfordert Akzeptanz – eine akzeptierende Haltung kann nur funktionieren, wenn Sie
sich von Ihren Wertungen befreien. Was passiert, wenn wir (vor)schnell eine Situation bewerten? Sowie unsere Gedanken in eine Wertung abdriften, wird sich unsere Haltung verändern. Wir haben es dann sehr schwer, Informationen aufzunehmen und dabei den Fokus auf echtes und richtiges Zuhören zu legen.
Üben Sie Akzeptanz – nehmen Sie sich vor, bei den nächsten Gesprächen so lange wie es nur irgendwie geht auf Wertungen zu verzichten. Zögern Sie die Wertung regelrecht bis zum Äußersten hinaus.
Sie werden erleben, dass Sie wesentlich länger konzentriert sind und der Dialog auch länger und intensiver wird. Ihr Charisma als ZuhörerIn wird sich stärker entfalten.
Impuls 3: Bekommen Sie Ihren Affengeist in den Griff
Lernen Sie Präsenz! Präsenz bedeutet im Hier und Jetzt zu sein und äußere Einflüsse auszublenden. Ein schönes Bild dazu kommt aus der Meditationslehre. Das Ziel muss sein, unseren Affengeist in den Griff zu bekommen. Unser Geist schwingt nach diesem Gleichnis wie ein Affe von Baum zu Baum und ist nie ruhig. Der Affe greift nach einem Ast nach dem anderen. Genauso agiert unser Geist, wenn wir unsere Präsenz nicht in den Griff bekommen. Wir sind immer im Gedanken beim nächsten Task, der letzten Sitzung, der morgigen Präsentation … aber sind wir auch zu 100 % beim Gesprächspartner?
Wir brauchen den Fokus beim Gegenüber, dort ist er notwendig und nirgends sonst.
Wie üben Sie Fokus? Alles beginnt auch hier mit der Einstellung und Haltung gegenüber Ihrem Gesprächspartner und dem Thema. Ist es Ihnen wirklich wichtig? Wenn nicht, werden Sie schnell abgelenkt sein. Sie schielen dann schneller zum Handy und geben allen weiteren Ablenkungen wieder mehr Raum.
Der Trick ist ganz einfach – reden Sie sich einfach ein, dass diese Information, dieses Gespräch immens wichtig ist!
Wir sollten zuhören, um zu verstehen und nicht nur, um zu antworten! Wenn ich meinen Fokus aufs Verstehen lege, dann werde ich mich voll auf den Anderen fokussieren, wenn ich mich nur darauf konzentriere, zu antworten, dann werde ich mich nur auf mich fokussieren.
Impuls 4: Körpersprache und Signale
Wenn Sie aufmerksam zuhören, ist es für Ihr Charisma steigernd, wenn Sie diese beiden Techniken anwenden:
- Nicken Sie nicht zu schnell und zu oft mit dem Kopf. Konzentrieren Sie sich darauf, durch Ihre Mimik den Inhalt wiederzugeben. Ihre Mimik sollte also die Inhalte und Emotion der ErzählerInnen zum Ausdruck bringen. Sieht ein Außenstehender nur Ihre Mimik, ohne eine Ahnung vom Kontext des Gesprächs zu haben, sollte dieser erkennen, wie die Emotionen hinter den Worten der ErzählerIn sind.
- Halten Sie zwei Sekunden inne bevor Sie das Wort erheben. Dies zeigt, dass Sie bedacht sind und nachdenken, bevor Sie etwas sagen. Sofortige Antworten sind oft weniger durchdacht, für Ihr Charisma ist eine überlegte Antwort förderlich.
Sie sehen, es ist sehr leicht das eigene Charisma durch Zuhören noch weiter zu entfalten. Probieren Sie es aus und merken Sie, wie die positive Wirkung in Ihrem Umfeld für Sie spürbar werden wird.